GRUSELKABINETT - 166 –  Bisclavret

Gruselkabinett

166 - Marie de France – Bisclavret

Titania Medien

Gesamtspielzeit: ca. 70 Minuten

Altersempfehlung ab 14 Jahren

VÖ: 21.12.2020

CD-Cover Gruselkabinett Folge 166

„Als das Fest vorbei war, welches der König nach den Ereignissen, wie sich denken lässt, nicht mehr recht zu genießen wusste, suchte er im ganzen Schloss vergeblich nach seinem Freund dem Tier. (…) So fügte es sich, dass der König am Waldrand die Kutsche verlies und auf sein mitgeführtes Pferd umstieg. Er ritt allein in den dichten Wald. Es dämmerte schon.“

 

Klappentext: 

Bretagne, um 1170:

Der ehrbare Ritter Eric de Bisclavret verschwindet sehr zum Ärger seiner Ehefrau Catherine jeden Monat für drei Tage, ohne jemanden von seinem Verbleib in Kenntnis zu setzen. Als die Gattin erfährt, dass er sich in dieser Zeit in einen Werwolf verwandelt, sorgt sie durch eine List dafür, dass er nicht zurückkehren kann, und beginnt ein neues Leben. Der Werwolf sucht Zuflucht bei seinem Lehnsherrn und sinnt auf Rache…

 

Eine Werwolf-Folge

Kurz vor Weihnachten beschert uns Titania Medien noch eine Gruselkabinett-Folge, welche sich thematisch dem Werwolf widmet. Wer jetzt allerdings eine blutrünstige Geschichte erwartet, der sei an dieser Stelle schon mal etwas vorgewarnt. Der Werwolf dieser Produktion hat sehr menschliche Züge und Emotionen.

Bisclavret, so ursprüngliche Name des Wesens, ist ein Werwolf der sich früher zur Zeit seiner Verwandlung in die Wälder zurückzog, um kein anderes Wesen zu verletzten. Seine Frau jedoch entledigte sich ihm mit einer List, da sie es nicht ertragen konnte, ihr Bett mit einem Wolfsmenschen zu teilen. Doch als die beiden lange Zeit später wieder aufeinandertreffen, kann  Bisclavret kaum an sich halten, so sehr brennt das Verlangen nach Rache in ihm.

 

Es geht stimmungsvoll los

Die Geschichte aus der Feder von Marie de France beginnt sehr stimmungsvoll, was kein Wunder ist, da niemand geringeres als Peter Weis als Erzähler durch das Hörspiel führt. Schon bei den ersten Klängen seiner Stimme lauscht man als Hörer gebannt und erwartet Großes. Atmosphärisch geht es dann auch weiter, wenn Weis von Werwölfen berichtet oder man dem Ehepaar bei intimen Handlungen zuhören darf. Auch der listige Plan der Gattin hat mich noch gefesselt. Doch als der Wolfsmensch später im Wald auf seinen ehemaligen Freund und heutigen König trifft, erinnerte mich das Gehörte doch zu sehr an „Die Schöne und das Biest“ oder auch „Schneeweißchen und Rosenrot“, da ich immer dieses halb-menschliche, halb-tierische Wolfs-(Bären-)Wesen vor Augen hatte. Auch die Vertonung, die gewollt düstere Stimme von Bisclavret hat mich persönlich leider nicht mehr gepackt, nicht vollends überzeugt, auch wenn Jean Paul Baeck hier sicherlich sehr leidenschaftlich agiert hat. Da konnte mich dann auch leider die charismatische Stimme von  Peter Weis nicht mehr vollends zurückholen. Schade, denn das Cover versprach (mir) doch viel Gruselatmosphäre.

 

Auch ernste Töne

Doch bei all meiner Kritik möchte ich dennoch die ernsten Töne dieser Produktion anmerken, wenn zum Beispiel Königin Mutter und König Charles über die Beweggründe des Werwolfes sprechen. In solchen Gesprächen kommen dann auch Gedanken über die Liebe nicht zu kurz, welcher wir sonst nur akustisch in ihrer ausgelebten Form lauschen durften. Die Botschaft dieser Folge ist ganz klar, dass wahre Liebe nicht vom körperlichen Aussehen (oder dem Geschlecht) abhängig ist.

 

Sprecher & Sound

Neben den schon angesprochenen Stimmen von Peter Weis und Jean Paul Baeck kommen auch noch weitere große Sprecher zu Wort Christian Stark und Ursula Sieg wären da zum Beispiel zu nennen. Und auch das Soundkonzept ist wie immer bestens umgesetzt. Egal ob in Wald oder Schloss – dank des Knackens von Ästen, einem Käuzchen im Hintergrund oder auch dem Schnauben eines Pferdes, der Hörer hört sofort wo er ist, sieht die Szene vor dem inneren Auge – egal ob drinnen oder draußen.

 

Mein Fazit:

Mich persönlich konnte leider diese Folge nicht vollends überzeugen, auch wenn wie gewohnt viele große Stimmen sehr leidenschaftlich agieren. Der Wolfsmensch war für mich zu viel, manchmal vielleicht zu menschlich in seinen Zügen. Wie immer bei Titania ist dies sicherlich der Originaltreue zur Vorlage geschuldet, von welcher man bei Titania auch nicht für einen angepassten Spannungsbogen oder andere „Optimierungsmöglichkeiten“ abweicht. Ein Aspekt, den man Marc Gruppe und seinem Team in Zeiten, in denen es vielen nur auf Umsatz und Unterhaltung ankommt, sicherlich hoch anrechnen kann.

Von daher bin ich einfach mal gespannt, mit welchem Gruselfaktor die nächste Folge aufwarten wird.


Mareike Lümkemann

 

18. Dezember 2020