Poe Mortem (7) Der Mann in der Menge

 

POE MORTEM Folge 07:

"Der Mann in der Menge"

Saus und Braus 2024

Hörspielbearbeitung von Constantin Wiedemann nach Edgar Allan Poe

 Dauer: 16:18 Min.

VÖ: 25.01.2024, Digital

Cover Poe 7 - Der Mann in der Menge

Klappentext:

Im Herzen von Berlin beobachtet ein Mann das Treiben der Menge . er sinniert und langweilt sich, bis er plötzlich jemanden entdeckt, der aus der Masse heraussticht.

 

Meine Meinung:

Wie man es von Constantin gewohnt ist, hält er sich bei der Adaption von "Der Mann in der Menge" sehr nahe an der Vorlage Poes, wobei er die Geschichte aus dem London der damaligen Zeit in unser Berlin der Jetztzeit verlegt. Ein Mann, nach langer Krankheit halbwegs wieder genesen, beobachtet von seinem Lieblingscafé aus die an ihm vorbeiziehenden Menschen und analysiert, was  für ein Typ Mensch sie darstellen.
Sein wir doch mal ehrlich: Dieses "Spiel" haben wir doch schon alle mal "gespielt", irgendwo sitzen, sich die Leute ansehen und versuchen, aus deren Verhalten und Kleidung Rückschlüsse auf die einzelnen Personen zu ziehen. Der Protagonist dieses Hörspiels trifft, wie in Poes Original, jedoch auf einen alten Mann, der einen mit Diamanten besetzten Dolch zu besitzen scheint, und ist von dessen Anblick so fasziniert, dass er ihm durch Berlin folgt, wobei sie stets zu ihrem Ausgangspunkt, dem Café, zurückkehren. Dabei scheint sich der alte Mann in einer größeren Menschenmenge stets wohler zu fühlen, als allein auf der Straße. Am Ende muss der Protagonist einsehen, dass es keinen Zweck macht, dem Mann weiterhin zu folgen, da er nie hinter dessen Geheimnis kommen wird.
Wenn man Poes Geschichte und dieses Hörspiel nur aus diesem Blickwinkel betrachtet, kann man sich zurecht fragen, was diese Geschichte eigentlich soll, oder ob Constantin auf eine Vertonung dieser Geschichte nicht hätte verzichten können, da sie keinen größeren Sinn zu haben scheint. Aber wer Poes Literatur kennt, weiß, dass Poes Erzählungen zumeist vom Wahnsinn in seiner unterschiedlichsten Form handeln. Daher ist es interessant, die Motivation des Hauptcharakters, dem alten Mann zu folgen, näher zu beleuchten. Der Umstand, einer Person zu folgen, von der man, aus welchen Gründen auch immer, so fasziniert ist, ist ja nicht gerade alltäglich zu nennen. Daher lohnt es sich, zu hinterfragen, ob die Krankheit, die dem Protagonisten, laut seiner eigenen Aussage, noch immer in den Knochen steckt, vielleicht nicht nur physischer Natur war, sondern auch psychischer ...

 

Hörspieluntermalung:

Dieses Hörspiel, das eigentlich als ein mit Geräuschen versehener Monolog bezeichnet werden kann, kommt ganz ohne Musik aus. Als Geräuschkulisse dienen Straßengeräusche und Stimmenwirrwarr. Dabei nimmt der Geräuschpegel, je nach Bedarf, ab und zu. Wenn der Protagonist und der alte Mann sich beispielsweise in einer leeren Straße befinden, ist es ruhiger, als wenn sie sich im Passantenstrom von Berlin bewegen.

 

Der Sprecher:

Christopher Peters fungiert hier als Monologsprecher, und er hat einen sehr guten Job gemacht.

 

Mein Fazit:

Auf den ersten Blick ist "Der Mann in der Menge" eine nicht sonderlich interessante Umsetzung von Poes Vorlage. Wenn man allerdings die Beweggründe des Protagonisten hinterfragt, erhält die Story einen interessanten Sinn. 

Ich kann nur empfehlen, sie zu hören und sich seine eigene Meinung zu bilden.


Andreas Nauber

 

21.01.2024