Morbus Leben - Ein Räuberhörbuch Teil 1

 

„Morbus Leben – Räuberhörbuch“

Teil 1 von Hank Zerbolesch.

qwertz

Gesamtspielzeit: ca. 81 Minuten

Altersempfehlung ab 16 Jahren

VÖ: 01.05.2020

Erhältlich auf allen gängigen Streamingplattformen und bei audible

CD-Cover Morbus Leben

„Als ist tags zuvor von der Frühschicht nach Hause kam, war der Kühlschrank leer. Zuerst dachte ich, es sei die konsequente Fortsetzung dessen, was im letzten Jahr seinen Anfang genommen hatte. Wenn sich meine Frühschicht mit ihrer Spätschicht überschnitt, hatte sie mir immer etwas zu essen gemacht, es in den Kühlschrank gestellt und mir einen kleinen Zettel auf den Esstisch gelegt. Nach Evelins Tod wurden die Nachrichten kürzer, später blieben sie ganz aus. Und nun eben auch das Essen selbst. Das hatte ich zumindest gedacht. Bis ich den Brief im Hausflur fand. Auf dem kleinen, runden Beistelltisch neben der Garderobe. Ich hatte meine Jacke aufgehängt und ihn gar nicht bemerkt. Ich faltete das Blatt auseinander. (…) Das war alles. Nach 23 Jahren Ehe ein Brief, auf dem ein einziger Satz stand. Sechs Wörter auf einem ganzen DIN A4-Blatt. Was für eine Verschwendung.“

 

Nach einem mehrtägigen Drogentrip kommt Hank Zerbolesch wieder zu sich. In der Tasche ein blutverschmiertes Messer und auf den Fersen Odium, ein rachsüchtiger Gangsterboss. Hauptkommissar Hans Franke verhaftet Martin Richter, einen wichtigen Mitarbeiter Odiums. Zeitgleich kassieren seine Kollegen den Gangsterboss persönlich wegen Mordes. Das ist die Stunde des Star-Anwalts Robert Rossi.

 

Morbus Leben übt einen Sog aus

Be careful, denn das Räuberhörbuch „Morbus Leben“ ist ein anderes Hörbuch. Hier wird nicht „nur“ vorgelesen – hier wird man als Hörer direkt in das Geschehen eingesogen. Das Räuberhörbuch ist weit mehr als nur Hören, es ist vielleicht sogar schon Kunst. Aber vor allem ist Morbus Leben ein unheilvolles Geflecht aus Menschen, die alle zur falschen Zeit am falschen Ort sind und außerdem irgendwie miteinander zu tun haben: es gibt den Dealer und Konsument in Personalunion, den Polizisten mit der ermordeten Tochter, den Gangsterboss „Odium“, dessen grenzenloser Hass als blutroter Faden für diverse Gewaltexzesse in „Morbus Leben“ sorgt und einen schmierigen Staranwalt, der nach einem neuen und aufregenden Fall geradezu lechzt. Und allen ist gemein, dass sie mächtig unter Druck stehen. Unter Suchtdruck, Leidensdruck oder auch Erfolgsdruck.

 

Kunstvolle Darbietung

Für die schon angesprochene kunstvolle Darbietung stehen unglaublich schnelle Szenen, die so geschnitten wurden, dass man kaum zwischendurch Luft holen kann. Sie bestechen unter anderem auch durch ihren unglaublichen Realitätsbezug, eine echte Sprache im Guy Ritchie Duktus und Situationen, die an die Substanz gehen können und nicht mehr als jugendfrei zu bezeichnen sind.

 

Der Autor als Leser

Durch das Geschehen selber führt der Autor Hank Zerbolesch selber und versteht es, den Hörer in den Bann zu ziehen und nicht mehr los zu lassen. Er wechselt gekonnt durch die einzelnen Figuren und haucht so jeder einzelnen Leben und vor allem Charakter ein.

 

Philosophische Ansätze

Wer jetzt aber glaubt, hier geht es nur um Gewalt, rasante Szenenwechsel und irgendwelche Drogengeschichten, der irrt gewaltig, denn Autor Zerbolesch setzt sich intensiv mit seinen Geschichten und den darin vorkommenden Personen auseinander. Er schreibt Romane, Hörspiele und Kurzgeschichten. Meistens über Menschen, häufig über Zustände, und oft über einen Mangel. Eine der für ihn drängendsten Fragen ist, warum Menschen eigentlich tun, was sie tun.

Somit enthält auch diese Räubergeschichte einen nicht unerheblichen Anspruch, der unter anderem dafür sorgt, dass man dieses Hörbuch mehrfach hören sollte, um das ganze Ausmaß und alle Zusammenhänge wirklich zu begreifen.

 

Mein Fazit:

Wer schnelle, moderne und anspruchsvolle Hörbücher mag, der wird viel Freude an Morbus Leben haben. Eine gewisse Affinität zu Produktionen von dem schon erwähnten britischen Filmregisseur kann jedoch von Vorteil sein, denn dieses Räuberhörbuch ist trotz allen Anspruchs wahrlich nichts für schwache Nerven.

Wer aber daran genauso viel Gefallen gefunden hat wie ich, kann sich freuen. Denn von Mai bis August erscheint einmal monatlich ein Teil von Morbus Leben. 


1. Mai 2020