Holy Horror
Dracula
Folge 1 - Das Tagebuch des Jonathan Harker
Gesamtspielzeit: 1 Stunde 20 Minuten
Autor & Regisseur: Marco Göllner
VÖ: 10. Februar 2020
Empfohlen ab 16 Jahren
Klappentext:
Die Reise nach Transsylvanien, um dem zurückgezogen lebenden Grafen Dracula ein Haus in London zu verkaufen, erscheint dem jungen Makler Jonathan Harker eine gute Karrierechance zu versprechen. Tatsächlich verläuft das Geschäft ohne größere Schwierigkeiten, doch bald merkt Harker, dass der Graf nicht plant, ihn wieder ziehen zu lassen...
Der erste Teil der aufwändigen Hörspielbearbeitung von Bram Stokers Klassiker der Horrorliteratur um den berühmtesten Vampir aller Zeiten.
Meine Meinung
Mit "Holy Horror" 10 bekommen wir das Tagebuch des Jonathan Harker präsentiert, in dem der junge Anwalt seine unglaublichen und grauenvollen Erlebnisse auf seiner Reise nach Schloss Dracula und vor Ort niederschrieb.
Allerdings hat sich Skriptautor Marco Göllner etwas besonderes einfallen lassen, um den Hörern dieser Produktion Harkers Erlebnisse nahezubringen. Die Tagebucheinträge sind in dieser Dracula-Adaption in eine Rahmenhandlung eingebettet, in der Mina Murray ihren Verlobten Johnatan in einem Budapester Krankenhaus besucht und ihn schlafend vorfindet, wobei dessen Flucht vom Schlosse Dracula somit vorweggenommen wird. Dass sie selbst zu diesem Zeitpunkt in Stokers Roman "Dracula" bereits Zeugin einiger seltsamer Begebenheiten wurde, spielt im Hörspiel noch keine Rolle. Darauf wird erst später eingegangen. Mina findet das Tagebuch und liest darin, wobei zunächst immer zwischen Harkers Erlebnissen und der lesenden Mina hin- und hergesprungen wird, was den Hörer in die Lage versetzt, nicht nur Harkers Bericht zu verfolgen, sondern auch Minas teils verwunderte Reaktionen auf das Gelesene mitzuerleben. Erst ab dem Zeitpunkt, wo Jonathan auf Draculas Bräute trifft, werden seine Erlebnisse nur noch aus dessen Tagebuchperspektive berichtet, was ich ein wenig schade finde, da es gerade ab diesem Zeitpunkt interessant gewesen wäre, auch Minas Empfindungen Hinsichtlich Harkers Erlebnisse mitzubekommen.
Aber nichtsdestotrotz ist Folge 1 der aufwendigen Dracula-Produktion sehr interessant. Einerseits orientieren sich die Tagebucheinträge Harkers sehr eng an der Romanvorlage, und andererseits wird zudem auch die Rahmenhandlung um Mina Murray etwas ausgebaut. In Jonathans Tagebuch erwähnt Graf Dracula den englischen Küstenort Whitby, was Mina aufhorchen lässt. In einem Gespräch zwischen ihr und Schwester Agatha wird deutlich, dass Mina von dort gekommen ist, und als Hörer erfährt man dann auch, was Mina dort in Stokers Roman erlebte. Dass während eines Sturmes ein nahezu herrenloses Schiff (die Demeter) in den Hafen von Whitby eingelaufen ist, sodass in den weiteren Folgen dieser Produktion auf langwierige Ausführungen verzichtet werden kann. Das ist insofern ein erfreulicher Aspekt, da sich die Produktion von Holysoft somit ausschließlich auf die wesentlichen Aspekte des Romans zu konzentrieren scheint. Ob dieser Stil beibehalten wird, wird sich im Handlungsverlauf der nächsten Folgen herausstellen.
Die Sprecher:
Obwohl jede Rolle passend besetzt ist, möchte ich drei Sprecher und ihre jeweilige Rolle hier besonders erwähnen.
Als Jonathan Harker ist Patrick Bach zu hören, und er spricht diese Rolle sehr routiniert. Wenn er in den Spielszenen Emotionen zeigen muss, bringt er sie hervorragend zum Ausdruck. Andere Tagebucheinträge sind reine Hörbuchabschnitte, mit Musik untermalt. Diese liest er zumeist sehr sachlich, und zwar auch dann, wenn es für ihn dramatisch wird. Das klingt zwar zunächst ein wenig befremdend, aber wenn man bedenkt, dass es sich bei seinen Schilderungen um einen niedergeschriebenen Bericht handelt, ist diese Sachlichkeit durchaus nachvollziehbar und angebracht.
Michael Prelle, den man u. a. aus der Hörspielserie "Dorian Hunter" kennt, ist Graf Dracula himself, und seine sonore Stimme passt besonders gut auf diese Rolle. Selten habe ich diese Rolle so passend besetzt gehört, wie in der Dracula-Adaption aus dem Hause Holysoft. Prelles hervorragendes Spiel kommt besonders dann zum Ausdruck, wenn er als Dracula etwas fordert. Er bringt diese Forderungen Harker gegenüber mit einem solchen Nachdruck in der Stimme zum Ausdruck, wie ich ihn bei anderen Dracula-Sprechern zuvor, wenn überhaupt, nur selten so intensiv empfunden habe. Ich bin gespannt, welche Register seines Könnens Prelle in den weiteren Folgen dieser Produktion noch ziehen wird.
Die Schauspielerin und Hörspielsprecherin Bettina Kurth hat mir in der Rolle der Mina Murray ebenfalls sehr gut gefallen, zumal ich sie, wie ich gestehen muss, zuvor noch nie wissentlich in einem Hörspiel gehört habe. Ihre Stimme strahlt eine gewisse Frische aus, die zu dem liebreizenden Charakter Minas passt. Nur nachdem sie Jonathans Tagebuch ausgelesen hat und mit Jonathan spricht, der inzwischen erwacht ist, klingt sie mir etwas zu unbekümmert, obwohl sie zuvor den so seltsamen und schrecklichen Bericht ihres Verlobten gelesen hat. Aber das ist vielleicht auch damit zu erklären, dass sie ihr Entsetzen vor Jonathan verbergen wollte, um ihn nicht noch mehr aufzuregen. Das würde zu Mina passen, da sie innerlich ein sehr starker Charakter ist.
Sound und Musik:
U. a. sind in dem Hörspiel Klavier- und Orgelklänge zu hören, die passend auf die jeweiligen Szenen abgestimmt sind. Was die Geräusche betrifft, so findet man hier nahezu alles, was zu einem ordentlichen Dracula-Hörspiel gehört: Kutschen, Wind am Borgo Pass und das Heulen der Wölfe, welches natürlich in keinem Dracula-Hörspiel fehlen darf. Zudem wird mit der Geräuschkulisse an manchen Stellen hervorragend gespielt. Das kommt beispielsweise dann zum Ausdruck, wenn Dracula und Jonathan gemeinsam durchs Schloss gehen, man also ihre Schritte hört, aber der dazugehörende Tagebucheintrag parallel von Mina vorgelesen wird.
Mein Fazit:
"Holy Horror" 10 ist ein toller Auftakt der Dracula-Adaption aus dem Hause Holysoft, der Lust auf die weiteren Folgen dieser Geschichte macht. Es ist nur schade, dass diese Produktion und alle anderen Folgen der "Holy Horror"-Reihe nicht im öffentlichen Handel zu bekommen sind.
Sprecher:
Andreas Nauber
18. Dezember 2020